Leben mit reaktivem Hund
Share
Hundebegegnungen ausweichen, Gassi-Gänge nach Zeiten Anderer planen, um keinem zu begegnen, Menschen meiden, Besuch im Voraus planen. Rede und Antwort zu Fragen und Behauptungen zum Verhalten deines Hundes stehen. Beleidigungen, Verurteilungen und Beschimpfungen über dich ergehen lassen.
Na, erkennst du dich wieder? Das alles kann dein Alltag mit einem reaktiven Hund sein.
Ich war über Jahre ein Lone Ranger beim Gassi. Ich war vorsichtig. Immer. Ich war die, die einen anderen Weg als den eigentlich geplanten gelaufen ist, weil andere mit Hund kamen, ohne Leine. Ich war die, die von Hundesportveranstaltungen disqualifiziert wurde, weil ihr Hund die Chipkontrolle nicht ausgehalten hat. Ich war eine der Hundebesitzerinnen, die für das Verhalten ihres Hundes verurteilt und ausgegrenzt wurde. Ich war die, die ihren Hund laut anderen "nicht im Griff" hatte. Kein schönes Gefühl, nicht wahr?
Trotzdem war ich die, die ihren Hund geliebt hat, bis zu seinem letzten Atemzug. Die dafür gekämpft hat, dass es ihm gut geht. Die mit ihm mit den verschiedensten Hundetrainern daran gearbeitet hat und dafür durch ganz Deutschland gefahren ist. Schlussendlich war ich die, die erkannt hat, dass der Lebensstil, der mir vorschwebte mit diesem Hund eben so nicht funktionierte. Dass es keinen Sinn machte, ihn auf Biegen und Brechen in dieses Leben zu pressen. Die ihn nach drei Jahren "Kampf gegen Windmühlen" so sein ließ, wie er nun mal war. Die, die akzeptiert hat.
Ich bin die, die rückblickend sagen kann: Das Leben mit einem reaktiven Hund ist manchmal echt kacke! Und frustrierend. Und einsam. Aber es ist auch sehr lehrreich und in mancherlei Hinsicht erleuchtend. Und auch dieser reaktive Hund hat es verdient, geliebt, verstanden und respektiert zu werden.
Heute bin ich die, die Verständnis zeigt, für andere mit ähnlichen Herausforderungen. Die, die die Menschen und deren Hunde dafür nicht verurteilt in den Augen anderer ein "Problem" zu sein. Es ist immer leicht gesagt "Das Problem liegt immer am anderen Ende der Leine" oder "Alles Erziehungssache". Nein, eben nicht immer. Hunde haben Charaktere, Hunde haben Veranlagungen. Manche Hunde passen zu ihren Besitzern und zu deren Anspruch an das Leben mit Hund und andere tun das eben nicht.
In unserer humanitären Gesellschaft wird der Schrei nach Individualität und Akzeptanz doch auch immer größer. Wieso müssen dann aber unsere Hunde in irgendwelche vorgefertigten Raster passen?
Hier soll kein theatralischer Schlusssatz kommen, der wiederum Leute verurteilt. Dieser Blogbeitrag kann gern zum Nach- und Umdenken anregen. Und ist für alle, die mit reaktivem Hund leben, gedacht.